Freitag, 20. Juni 2008

Abstrich(e)
schneckle, 14:17




Endlich mal wieder ein Besuch am Ort des Grauens der Verbundenheit. Schon beim Betreten der Frauenarztpraxis erschallt ein chorales Hallo. Auf dem Weg zum Tresen streifen mich lächelnde Gesichter. Beim Zeitungsständer wird mitfühlend beobachtet wie ich zum Journal für die Familie greife. Taschen werden mit schnellen Griff von Stühlen gehoben, so als rufen sie alle mein rechter, rechter Platz ist frei, ich wünsche mir die Frau S. herbei. Die Wahl fällt schwer, schließlich entscheide ich mich für das schwangere Pärchen. Eine gute Wahl, die mir auch sogleich von allen mit wohlwollendem Blick bestätigt wird. Bevor ich die Zeitung aufschlage und mich mit dem neuen Trend der umhäkelten Babyflasche beschäftige, lächle ich reihum in die Runde.

Da sitz ich nun also, zwischen all den Schwangeren und in freudiger Erwartung – Frauen und blättere lächelnd eine Stunden durch meine Familienzeitschrift, erfahre, dass silberne Ballerinas bei unter vierjährigen ein must have dieser Saison ist und das Kind ohne gestrickte Tierapplikationen auf dem Pulli das Haus nicht mehr verlassen sollte. Nebenbei begrüßen wir gemeinsam Neuankömmlinge und verabschieden mit Zahnarztpraxislächeln die Damen mit ihren frisch ausgedruckten Bildchen. Um mir die Beine ein bisschen zu vertreten und nicht zur nächsten Familienzeitschrift greifen zu müssen, gehe ich einmal quer durch die Praxis zur Toilette. Kontrolliere mein Make-up und zupfe ein bisschen an meinem Zopf. Der Rückweg zu meinem Platz wird vom Takt der Herzschläge aus dem Nebenraum bestimmt. Bevor ich mich lächelnd setzten kann wird mein Name aufgerufen. Keine zwei Minuten später bin ich auch schon fertig.

Mit mitleidigen Tschüß und bedauerndem Blick entlässt mich die Gemeinschaft.



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